turck interview Interview mit

Christian Wolf

Geschäftsführer Hans Turck GmbH & Co. KG, Mülheim an der Ruhr:

„Wireless ist heute in der Umsetzung mehr Hype als Realität."


Das eine lassen, um das andere tun zu können, das möchte Turck von 2010 bis 2015 strategisch  umsetzen. Aber nicht nur das: developmentscout sprach mit dem Geschäftsführer Christian Wolf u. a. über das aktuelle Geschäftsmodell, die strategische Ausrichtung, IO-Link und Wireless-LAN sowie die Neuigkeiten, die das Unternehmen auf der SPS/IPC/Drives präsentieren wird. 

developmentscout: Wo steht Turck heute auf der Leiter vom reinen Sensoranbieter mit Mittelstation Lösungsanbieter hoch zum Systemanbieter?

Wolf: Immer mehr Unternehmen verfolgen mehrere Geschäftsmodelle gleichzeitig, wobei die Grenzen dazwischen zunehmend verschwimmen. Wir sind heute sicher noch stärker der klassische Lösungsanbieter mit Beratungs- und Technologiekompetenz als der Systemanbieter. Natürlich haben wir aber aktuell auch schon Produkt- und Kundensegmente, für die wir Komplettsystemlösungen umsetzen. Unsere Kernkompetenz liegt aber auf dem Lösungsgeschäft mit angrenzenden sinnvollen Erweiterungen. Es ist auch nicht unser Ziel, ein reiner Systemanbieter zu werden, sondern wir wollen die sich ergebenden Chancen für unsere Systemkompetenz nutzen. Damit positionieren wir uns auf den drei von Ihnen genannten Geschäftsmodellarchitekturen ‚Komplexe Komponenten – Problemlösungen – Systemgeschäft‘.

developmentscout:  Sie haben eine strategische Agenda für den Zeitraum 2010 bis 2015 aufgestellt. Was beinhaltet diese?

Wolf: Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, haben wir acht Punkte in dieser strategischen Ausrichtung aufgenommen. Vertrieblich ist dabei die Vertikalisierung in Branchen sehr wichtig. Wir brauchen einen ausgewogenen Mix zwischen Produkt/Regionalvertrieb und Lösung/Branchenvertrieb. Dabei müssen wir verstehen, was der Kunde tut und seine Probleme erkennen. Die internen Prozesse müssen so gestaltet sein, dass die Vertikalisierung  in Branchen durchführbar ist – bis hin zur Fertigung. Außerdem brauchen wir den globalen Produktions-Footprint, um die Themen „design to cost“ und „lean products“ realisieren zu können. Wir müssen die Komplexität reduzieren, alte Zöpfe abschneiden und Dinge auch mal sein lassen, indem wir nicht jeden noch so ausgefallenen Kundenwunsch erfüllen, sondern vielmehr auf die Modularisierung zurück kommen und das Baukastengeschäft forcieren. Wenn alle Punkte ineinander greifen, können wir unseren Kunden auch in Zukunft für nahezu alle Anforderungen innovative Lösungen zu marktgerechten Preisen bieten.

developmentscout: Modularisierung und nicht jeden Wunsch erfüllen: Ist das nicht kontraproduktiv, sprich weniger kundenspezifisch und damit weniger kundenfreundlich?

Wolf: Es ist im Rahmen einer strategischen Planung immer eine Frage von ‚was machen wir‘ und ‚was lassen wir‘. Bei den genannten überlappenden Geschäftsmodellen besteht die Gefahr, dass Kosten und Komplexität signifikant steigen. Um dem zu begegnen, müssen wir in gewissen Bereichen aus unternehmerischen Gesichtspunkten abspecken und können dabei nicht unbedingt jeden Kundenwunsch erfüllen. Das ist ein schwieriger Prozess. Denn wenn Sie Produkte aus dem Portfolio nehmen, sagen Sie auch mal ‚Nein‘ zum Kunden. Wobei wir natürlich nie ‚Nein‘ sagen, ohne adäquate Alternativlösungen anzubieten.

developmentscout:  Sie haben für 2010 mit 30 Prozent gigantische Wachstumsraten angekündigt. Wie bewältigen Sie das kapazitätsseitig?

Wolf: Wir bewältigen das am Anschlag. Fertigungsseitig bekommen wir die Ressourcen zwar so schnell wieder aufgebaut, wie wir sie letztes Jahr herunter gefahren haben. Dafür sind wir sehr flexibel organisiert durch Arbeitszeitkonten, Modularisierung oder durch die redundante Arbeitsweise verschiedener Standorte. Allerdings bereitet die Zulieferkette Probleme, das Wachstum zu halten. Elektronische Bauteile haben teilweise extrem lange Lieferzeiten oder man muss diese über Broker zu horrenden Preisen kaufen, um selber lieferfähig zu bleiben. Insgesamt machen wir aber einen guten Job in der Supply-Chain, wodurch wir die guten Wachstumsraten generieren. Auch haben wir unsere Bestände nicht so stark herunter gefahren.

developmentscout: Welche Branchen stellen derzeit die größten Herausforderungen an Ihr Unternehmen?

Wolf: Die Branchen, die von der Krise stärker betroffen waren, kommen heute mit noch größeren Anforderungen auf uns zu, als das vorher schon der Fall war, wie beispielsweise stärkerer Kostendruck und Effizienzsteigerung. Die Anforderungen  betreffen immer Technologiegrad, Schnelligkeit und Output zu noch geringeren Kosten. Damit verschärft sich die klassische Spirale noch einmal durch die vergangene Krise.

developmentscout: Wie ist der aktuelle Stand der IO-Link-Technologie in Ihren Produkten?

Wolf: Wir setzen heute IO-Link durchgängig in vielen Turck-Produkten ein, in denen es dem Anwender wirklichen Mehrwert bringt. Dies verkünden wir aber nicht laut am Markt, weil wir es nicht als unsere Aufgabe sehen, IO-Link als System zu vermarkten. Wir haben vielmehr den Kundenvorteil im Fokus. Es gibt Bereiche, wo IO-Link definitiv vorteilhaft ist, aber es gibt auch Bereiche, in denen diese Technologie nicht relevant ist.

developmentsocut: Aber Sie sind doch einer der Vorreiter, die IO-Link mit getrieben haben. Sind Sie in diesem Sinne nicht auch daran interessiert, missionarisch tätig zu werden?

Wolf: Nein, unsere Aufgabe ist nicht das Missionieren, sondern das Bereitstellen von Lösungen, die der Kunde benötigt und die für seine spezielle Anforderung optimal sind. Auch wenn wir die Technologie schnell umgesetzt haben, propagieren wir sie nicht übermäßig. Wir untermauern unsere Außendarstellung mit Alleinstellungs- merkmalen. IO-Link ist kein Alleinstellungsmerkmal, sondern eine Initiative von Automatisierungsanbietern, die wir im Sinne unserer Kunden gerne unterstützen. Wir differenzieren uns aber über den besonderen Nutzwert unserer Lösungen und Produkte.

developmentscout: Turck unterstützt auch die Wireless-Technologie. Wann werden denn die Kabel Ihrer Meinung nach ganz verschwinden?

Wolf: Aus meiner Sicht werden sie nicht verschwinden. Im größten Automatisierungsmarkt USA ist Turck Marktführer im Connectivity-Bereich mit über 90 Millionen Dollar Umsatz. Das zeigt, welchen Stellenwert die klassische Anschlusstechnik hat. Wireless hat wie vieles in gewissen Applikationen seine Berechtigung, ist aber heute als alleinge Anschlusstechnologie in Fertigungswerken undenkbar. Die Störempfindlichkeit und ein – wenn auch kleines Ausfallrisiko – werden nicht gänzlich eliminierbar sein. Wireless heute ist noch immer mehr Hype als Realität in der flächendeckenden Umsetzung. Wenn allerdings ein Kunde eine Wirelesslösung möchte, beispielsweise um kostengünstig längere Distanzen bei neuen Messtellen zu überbrücken, dann haben wir mit der DX-Familie unseres strategischen Partners Banner Engineering eines der umfangreichsten Wireless-Portfolios für den industriellen Einsatz im Programm.

developmentscout: Welche Neuheiten wird Turck auf der SPS/IPC/Drives präsentieren?

Wolf: Wir haben einige interessante Neuentwicklungen im Koffer, darunter eine Drehwinkelsensor-Familie, die nach dem selben revolutionären Messprinzip arbeitet wie unsere induktiven Linearwegsensoren der LI-Serie und die positiven Eigenschaften herkömmlicher Messsysteme in einer Lösung vereint. Die Winkelposition wird auch bei den neuen RI-Sensoren nicht über einen magnetischen Positionsgeber erfasst, sondern mittels induktiver Schwingkreiskopplung. So ist der Sensor absolut unempfindlich gegenüber Magnetfeldern, wie sie beispielsweise von großen Motoren oder Schweißfeldern erzeugt werden. Darüber hinaus zeigen wir eine neue Reihe von Auswertegeräten für Strömungssensoren, Einfache Bedienbarkeit, hohe Funktionalität und eine Anschlussvielfalt, die alle modernen Anforderungen abdeckt, standen bei der Entwicklung der FM (Flow Module)-Familie im Vordergrund. Weiterhin sollte man noch unser neues Profinet-Gateway nach dem AIDA-Standard und neue Module für unser Block-I/O-System BL compact erwähnen, das damit nun die gängigsten Feldbus- und Ethernet-Standards abdeckt.

Das Interview führte Chefredakteurin Angela Scheufler.

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