Die präzise Lagerberechnung ist entscheidend für die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer von Maschinen. Sie umfasst die Analyse von Belastungen, Drehzahlen und Betriebstemperaturen, um eine optimale Lagerauswahl und Lagerauslegung zu gewährleisten. Dieser Artikel stellt Methoden und Technologien vor, die Konstrukteuren helfen, die Effizienz und Zuverlässigkeit von Lagerungen zu maximieren.
Inhalt
Die Lagerberechnung hat sich in den letzten Jahren durch den Einsatz moderner Simulations- und Analysetools erheblich weiterentwickelt. Neben klassischen Parametern wie Lebensdauer, Tragfähigkeit und Ermüdungsverhalten von den Maschinenelementen spielen zunehmend Faktoren wie dynamische Lastwechsel und Betriebsbedingungen eine zentrale Rolle.
Dank KI-gestützter Algorithmen und digitaler Zwillinge können heute komplexe Belastungsszenarien in Echtzeit analysiert und optimiert werden – ein Fortschritt, der vor wenigen Jahren noch undenkbar war. Zu den Trends gehören adaptive Berechnungsmodelle, die auch Verschleiß und Umwelteinflüsse berücksichtigen, sowie Tools, die die Integration in digitale Fertigungsprozesse ermöglichen. Diese Entwicklungen tragen dazu bei, die Präzision und Effizienz in der Lagerkonstruktion weiter zu steigern.
Wir haben Ihnen ein paar Neuheiten und Innovationen in der Lagerberechnung zusammengestellt:
06.12.2024 | NSK hat eine neue Methode entwickelt, um die Lebensdauer von Wälzlagern präziser als bisher vorherzusagen. Der Ansatz basiert auf der Analyse von Größe und Menge nichtmetallischer Einschlüsse im Lagerstahl. Diese Erkenntnisse fließen künftig in die Optimierung verschiedener Lagerarten wie Schrägkugellager, Zylinderrollenlager, Rillenkugellager und Kegelrollenlager ein.
Die neue Methode ermöglicht eine signifikante Verbesserung der dynamischen Tragzahlen und trägt dazu bei, die nominale Lebensdauer der Lager unter realen Einsatzbedingungen zu erhöhen. In idealen Szenarien könnte sich die Lebensdauer durch diese Optimierungen sogar verdoppeln.
Die ISO 281:2007 definiert die Standards zur Ermittlung von Tragzahlen für Lager. Demnach müssen neun von zehn Lagern einer Charge die nominelle Lebensdauer (L10 in Millionen Umdrehungen oder L10h in Betriebsstunden) unter definierten Bedingungen erreichen. Anpassungen oder Änderungen an Lagern erforderten bisher aufwendige zusätzliche Testreihen, um die Tragzahlen erneut zu bestätigen.
NSK hat nun ein zerstörungsfreies Prüfverfahren entwickelt, das diese zusätzlichen Tests überflüssig macht. Dieses Verfahren erlaubt eine präzisere Einschätzung der Tragzahlen und der Lagerlebensdauer ohne Materialzerstörung. Für Endanwender bedeutet dies eine verbesserte Verlässlichkeit der Lager und eine deutlich erhöhte nominale Lebensdauer unter realen Einsatzbedingungen.
Zur Berechnung der Lebensdauer von Wälzlagern greifen Konstrukteure in der Regel auf Herstellerkataloge oder spezialisierte Berechnungsprogramme zurück. Die Grundlage bildet dabei nach wie vor die ISO 281, ein international etablierter Standard, dessen Methodik seit 1962 Anwendung findet.
In den vergangenen Jahrzehnten haben jedoch Fortschritte in Materialreinheit und Fertigungstechnik dazu geführt, dass die tatsächliche Lebensdauer moderner Lager häufig deutlich über den nach ISO 281 berechneten Werten liegt. Diese Diskrepanz verdeutlicht den Bedarf, bewährte Standards an die technologischen Entwicklungen der Branche anzupassen, um realistischere Vorhersagen zu ermöglichen.
NSK nutzt digitale Zwillinge, um Lebensdauerprüfungen an realen Wälzlagern zu reduzieren. Diese Modelle ermöglichen es, dynamische Tragzahlen präzise durch Berechnungen zu optimieren, anstatt sie ausschließlich auf empirische Tests zu stützen.
Grundlage der Berechnungen sind umfangreiche Untersuchungen zur Qualität und Zusammensetzung des Lagerstahls. Die Studien belegen, dass nichtmetallische Verunreinigungen im Stahl einen erheblichen Einfluss auf die Lebensdauer haben und als Schlüsselindikator für die Haltbarkeit eines Lagers dienen.
NSK-Ingenieure haben daraufhin eine Bewertungsmethode entwickelt, die auf der Bruchmechanik basiert. Dieses Fachgebiet der Mechanik analysiert die Ausbreitung von Rissen in Werkstoffen und liefert besonders aussagekräftige Ergebnisse zur Bewertung der Lebensdauer von Lagern. Diese innovative Herangehensweise erlaubt es, die Berechnungsgrundlagen weiter zu verfeinern und die Zuverlässigkeit moderner Lager noch besser abzusichern.
In Zusammenarbeit mit der Universität Kyushu in Japan hat NSK eine neue Bewertungsmethode entwickelt, um die Faktoren zu analysieren, welche die Rissausbreitung in Materialien beeinflussen. Die Kombination dieser Methode mit einem hochpräzisen Ultraschallprüfverfahren erlaubt es, nichtmetallische Einschlüsse in großen Stahlvolumina zu detektieren. Dadurch kann die Reinheit von Wälzlagerstählen mit bislang unerreichter Genauigkeit und bei deutlich größeren Prüfmengen bestimmt werden.
Diese Erkenntnisse führten zu einer Erhöhung der dynamischen Tragzahl zahlreicher Wälzlager – ohne Änderungen an Konstruktion, Werkstoffen oder Sicherheitsreserven. Besonders bei Rillenkugellagern resultiert die Überarbeitung in einer bis zu verdoppelt hohen nominalen Lebensdauer.
23.07.2024 | Bearinx online, die leistungsstarke Wellen- und Lagerberechnungssoftware von Schaeffler, setzt neue Maß-stäbe in der Konstruktion. Mit ihrer neuesten Version ermöglicht sie detaillierte Berechnungen und Simulationen von Wellen und Lagerungen. Konstrukteure profitieren von erweiterten Funktionen wie präzisen Lastanalysen und optimierten Lebensdauerberechnungen.
30.09.2020 | Im Rahmen ihrer Kooperation haben SKF und Kisssoft eine neue Schnittstelle zur Lagerberechnung geschaffen, welche die Getriebekonstruktion vereinfacht: Diese versetzt die Ingenieure in die Lage, die für die Maschinenkonstruktion geeigneten Lager auf Grundlage topaktueller Lagertechnologien auszuwählen.
Dadurch können die Anwender von KIsssoft nun zwei Berechnungsansätze verfolgen, die übliche ISO-Berechnung und jetzt zusätzlich die erweiterte SKF Lebensdauerberechnung mit Hilfe neuester Lagerdaten.
Bei der Nutzung des Programms konstruiert der Entwicklungsingenieur wie gewohnt ein Getriebe in Kisssoft. Dabei ist er mit der SKF Cloud verbunden. Über sie ruft er die Berechnung zur Lagerlebensdauer auf. Das Resultat der Lagerberechnung basiert auf extrem schnellen, cloudbasierten Berechnungsfunktionen.
Diese berücksichtigen die Betriebsbedingungen des ganzen Lagersystems im Rahmen der Lebensdauerberechnung einzelner Lager. Dadurch wird die geplante Getriebekonstruktion live überprüft. Das erhöht die Realitätsnähe und Effizienz des ganzen Vorgangs, weil der User von Beginn an das passende Lager auswählen kann.
Dabei gestaltet sich die Lagerberechnung für den Benutzer sehr einfach. Er erstellt ein vollständiges Getriebemodell in Kisssoft. Mittels SKF Lagermodul wird automatisch dessen Berechnungsfunktion aufgerufen, wenn die Lagerlebensdauer anhand der Methode „Erweiterte Lagerlebensdauer nach ISO 281“ berechnet wird. Dies kann im Kisssoft Fenster Basisdaten des Lagers ausgewählt werden. Diese Methode empfiehlt sich, will man die Effekte von Schmierung und Verunreinigung berücksichtigen.
Ist die erweiterte Lebensdauer nicht ausgewählt, wird die nominelle Lebensdauer des Lagers nach ISO 281 berechnet. Diese Funktion bezieht lediglich Belastung und Drehzahl mit ein. Bei hochwertigen und modernen Lagern kann die berechnete nominelle Lebensdauer aber deutlich von der tatsächlichen Lebensdauer abweichen.
Die Lebensdauer in einer Anwendung hängt nicht nur von Belastung und Lagergröße ab. Auch Einflussfaktoren wie Verunreinigung, Schmierung, ordnungsgemäße Montage und Umgebungsbedingungen verursachen wirken sich aus. Die erweiterte Lebensdauer Lagerberechnung nach ISO 281:2007 verwendet einen erweiterten Lebensdauerbeiwert aISO als Ergänzung der nominellen Lebensdauer.
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Für die SKF Lebensdauer kommt beim Lebensdauerbeiwert aSKF das Konzept einer Ermüdungsgrenzbelastung Pu zum Tragen wie in der erweiterten ISO 281. Um drei der wichtigsten Betriebsbedingungen Rechnung zu tragen, berücksichtigt der Lebensdauerbeiwert aSKF wie in der erweiterten ISO 281 Schmierbedingungen, Belastung mit Bezug zur Ermüdungsgrenzbelastung des Lagers sowie einen Beiwert ηc für den Grad der Verunreinigung.
Die erweiterte Lebensdauer nach ISO 281 kann auch ohne Aktivierung des SKF Lagermoduls in Kisssoft berechnet werden. Die Verwendung dieser ISO-Methode kann im Rahmen einer Bauartzertifizierung erforderlich sein. Es ist aber nicht unbedingt die zuverlässigste Methode für die Prognose der Lebensdauer eines Lagers. Die SKF Lebensdauer stellt eine verbesserte Version der erweiterten ISO 281 dar. Neueste Erkenntnisse in Tribologie und Werkstoffe in Wälzlagern werden berücksichtigt.
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Der Unterschied zwischen beiden Methoden besteht in der Berechnung des Lebensdauerbeiwerts (aISO | aSKF). Dieser kann einen entscheidenden Einfluss auf die berechnete Lagerlebensdauer haben.
Die aktuellsten Lagerdaten werden über Cloud-basierte Dienste von SKF zur Verfügung gestellt. Die entsprechenden Ergebnisse erhält der Anwender in Form eines übersichtlichen Engineering-Reports, den die Kalkulationssoftware liefert. So entsprechen beide Unternehmen dem Wunsch vieler Ingenieure nach einem einzigen Tool, das unzählige Konstruktionsdaten und Designvorschriften bzw. -einschränkungen beinhaltet, diese selbsttätig aktualisiert und außerdem durchgängig in einem benutzerfreundlichen Format dokumentiert.
05.03.2018 | Eine neue Grafik zeigt im aktuellen Kisssoft-Release die Spannungen im Werkstoff unterhalb der Kontaktoberfläche bei Wälzlagerringen und Rollkörpern. Wobei der Verlauf der Spannungen und deren Maximalwerte dargestellt wird. Diese Information ist insbesondere bei Großwälzlagern von Interesse, wo die Lagerringe in der Regel einsatzgehärtet sind und die Härtetiefe auf Basis der Belastungen festgelegt werden soll.
Die Elastizität der Lagerringe kann nun auch berücksichtigt werden. Externe Lasten werden auf dem Außen- oder Innenring definiert und die Deformation des Lagerringes lässt sich iterativ mit der Einfederung der Wälzkörper ermitteln. Da diese Berechnung oft für Planetenräder durchgeführt wird, kann die Last direkt aus der Zahnradberechnung übernommen werden.
Für die Auslegung von Wälzlagern kann außerdem eine Variationsrechnung für die innere Geometrie der Lager durchgeführt werden. Konstruktionsparameter wie Anzahl der Wälzkörper, Wälzkörperdurchmesser, aber auch Lagerparameter wie Schmiegung oder Dichte der Wälzköper bei Verwendung von Käfigen können variiert werden. Die Resultate werden übersichtlich in Listenform oder grafisch dargestellt und lassen sich komfortabel filtern.
18.02.2016 | Die Berechnungssoftware „Bearinx“ von Schaeffler wurde um viele Berechnungsmöglichkeiten für die Wälzlagerauslegung erweitert. Weiterhin wurden jetzt eine detaillierte Berücksichtigung der Verzahnungen sowie die universelle Komponente Optikit zur Optimierung beliebiger Parameter integriert.
05.08.2011 | Für die Lagerberechnung in Kisssoft steht nun das Modul WB4 zur Verfügung: Dieses ermöglicht, die einzelnen Lager direkt nach der Methode ISO 16281 unter Berücksichtigung der inneren Geometrie zu berechnen, ohne dass im Vorfeld die Kräfte im Welleneditor ermittelt werden müssen. Tatsächliche Lagersituationen und mehr werden dabei berücksichtigt.
Die Deformationen des Innen- und Außenrings sowie die Profilierung der Rolle können bei Axial-/ Zylinderrollenlager oder Kegelrollenlagern vorgegeben werden. Diese Angaben ermöglichen eine sehr realitätsnahe Berücksichtigung der tatsächlichen Lagersituationen.
Die verbesserte Funktionalität bietet große Vorteile für Lagerhersteller und Konstrukteure, welche die Belastungen aus anderen Quellen (FEM) kennen, jedoch mehr über die vorherrschende Lastverteilung und Pressungsverhältnisse im Lager erfahren möchten.
Die nominelle Lebensdauer l beschreibt die theoretisch erwartete Betriebsdauer eines Lagers, bevor Materialermüdung auftritt. Sie wird unter definierten Standardbedingungen berechnet und in Millionen Umdrehungen oder Betriebsstunden angegeben. Grundlage ist die DIN ISO 281, die Last, Drehzahl und die dynamische Tragzahl c als Berechnungsparameter berücksichtigt.
Die dynamische Tragzahl gibt die Belastung an, die ein Lager bei einer definierten Drehzahl unter idealen Bedingungen für eine nominelle Lebensdauer von einer Million Umdrehungen (l 10) standhalten kann. Sie ist ein zentraler Wert für die Berechnung der Lagerlebensdauer gemäß DIN ISO 281 und dient zur Auswahl des passenden Lagers für dynamische Anwendungen.
Die statische Tragzahl gibt die maximale Belastung an, die ein Lager im Stillstand ertragen kann, ohne bleibende Verformungen an den Laufbahnen oder Wälzkörpern zu verursachen. Sie ist ein entscheidender Parameter bei der Auswahl von Lagern für Anwendungen mit hoher statischer Last und wird gemäß DIN ISO 76 definiert.
Quellenangabe: Dieser Beitrag basiert auf Informationen folgender Unternehmen: Kisssoft, NSK, Schaeffler, SKF.
Angela Struck ist Chefredakteurin des developmentscouts und freie Journalistin sowie Geschäftsführerin der Presse Service Büro GbR in Ried.