Die ursprüngliche Idee dieser Neuentwicklung stammt aus dem Flugzeugbau. Dort wird hochauflösende 3D-Vermessung mit Laserscannern eingesetzt, um zum Beispiel Bauteile präzise miteinander zu verbinden. Pepperl+Fuchs zeigte auf der Hannover Messe das Potenzial dieser Technologie für Anwendungen im Sinne von Industrie 4.0 und brachte eine weitere Messwert-Dimension ins Spiel.
2018 gründeten Lufthansa Technik und Pepperl+Fuchs gemeinsam in Hamburg die 3d.aero GmbH. Ziel des Joint Ventures ist es, neue Automatisierungslösungen für die Flugzeugindustrie zu entwickeln und die Digitalisierung der Fertigung voranzutreiben. Unter anderem stehen dabei Anwendungen für optische Messgeräte im Mittelpunkt. So können zum Beispiel mehrere Geräte mit optischen Laufzeitmessverfahren kombiniert werden, um 3D-Abbilder von Bauteilen und ihren Einbauorten zu erstellen und anhand dieser Daten die hochpräzise automatisierte Montage zu ermöglichen. Die gleiche Technologie kann dazu dienen, Lackierroboter zu steuern oder die Fahrgastbrücke vor der Kabinentür zu positionieren. Wegen des gewölbten Rumpfes ist deren präzises Heranfahren keine banale Aufgabe. Zugleich müssen wegen der strengen Sicherheitsvorschriften auch kleine Kollisionen zuverlässig verhindert werden.
Aus der Erfahrung mit solchen Anwendungen stammte der ursprüngliche Impuls, die 3D-Erfassung von Objekten im Sinne der Industrie 4.0 weiterzuführen und ihre technischen Möglichkeiten, auch auf der Ebene der Information, umfassend auszureizen. Als Testversion entstand das Messe-Exponat „Connected Customization“, bei dem sich Messebesucher als „Objekt“ zur Verfügung stellen. Dieses wird zunächst mit dem PRT-Verfahren von sechs optischen Abstandssensoren der Laser-Serie R2000 erfasst. Jeder Sensor fertigt einen 2D-Scan des Probanden an, die Messdaten werden dann zu einer 3D-Punktewolke zusammengefügt.
Die Pulse Ranging Technology (PRT), welche die R2000-Sensoren nutzen, ist ein echtes Lichtlaufzeitverfahren. Eine Laserdiode sendet Lichtimpulse mit einem Strahldurchmesser von nur wenigen Millimetern. Aus der Reflexionszeit berechnet der Scanner die genaue Entfernung. Die Pulse besitzen eine hohe Energiedichte und liefern entsprechend klare und genaue Signale. Das gilt selbst bei störenden Einflüssen wie Spiegelungen, starkem Fremdlicht oder dunklen, schlecht reflektierenden Zielobjekten. Das Gerät übermittelt 250.000 Entfernungsmesswerte pro Sekunde an die Steuerung.
Abstandssensor mit schneller Time-of-flight Messmethode
Die Vorteile der Pulse Ranging Technology werden durch die Rotation des 360°-Messmoduls ergänzt. Dieses kreist auf einer starren Achse und erzeugt eine gleichmäßige Scanebene praktisch ohne Winkelabweichung. So erreicht der Sensor neben der vollständigen Rundumsicht auch eine Winkelauflösung von bis zu 0,071°. Seine Drehfrequenz kann bis 30 Hz, die Messrate bis 54 kHz reichen. Damit erkennt er zuverlässig auch bewegte Objekte und sehr kleine Gegenstände. R2000-Sensoren werden häufig für Kollisionsschutz, Bereichsüberwachung bei fahrerlosen Transportfahrzeugen oder für das Erkennen von Objekten dicht an einer Oberfläche verwendet. Durch die Kombination mehrerer Geräte lässt sich ein präzises Abbild dreidimensionaler Konturen gewinnen.
Vergangenes Jahr wurde das Exponat erweitert. Neben die Sensoren wurden zusätzlich Farbkameras montiert. Ihre Aufnahmen ergänzen die Entfernungsdaten um die Bildinformation aus Helligkeit, Farbe und Kontrast. Diese Daten stehen beispielhaft für eine „vierte Dimension“, die dem 3D-Abbild hinzugefügt werden und einen Mehrwert für die Erledigung unterschiedlicher Aufgaben schaffen kann. Statt Kameras könnten auch andere Geräte wie Temperaturscanner hinzukommen. Mit ihnen ließe sich etwa ein hochaufgelöstes Temperaturprofil erstellen oder der Temperaturverlauf verfolgen.
Vision Sensor löst viele Aufgaben in der Fabrikautomation
Für die Zuordnung der Messwerte ist allerdings die Verknüpfung der beteiligten Sensoren einschließlich präziser 3D-Kalibrierung eine entscheidende Voraussetzung. Nur so lassen sich die Daten zu einem aussagekräftigen Gesamtbild kombinieren. Die Punktewolke steht in der Neo Neon-Cloud der Pepperl+Fuchs-Tochter Neoception für den weltweiten Zugriff zur Verfügung. Die Daten werden im Standardformat Point Cloud Data (PCD) bereitgestellt. Werkzeuge zur Verarbeitung von PCD-Sätzen sind im Internet verfügbar.
Das Messe-Exponat demonstriert den globalen Datenzugriff und eine erste Nutzung: Der Besucher kann sein 3D-Abbild sofort auf seinem Smartphone betrachten, die Visualisierung übernimmt eine Augmented Reality App, die aus den App-Stores abgerufen werden kann. Für den Zugang zu den Daten wird ein QR-Code gescannt, mit der App scannt man anschließend den Positionsmarker des Exponats. Wer sich auf dieses Experiment einlässt, konnte sich auf dem eigenen Mobilgerät in 3D und Farbe von allen Seiten betrachten. Je nach Messeauftritt gab es auch weitere Möglichkeiten, etwa ein 3D-Abbild in Plexiglas zu produzieren oder sich als 3D-Model auf die Titelseite einer personalisierten Ausgabe des Messemagazins drucken zu lassen. Natürlich können dieselben Daten auch für die Einspeisung in einen Produktions- oder Logistikprozess verwendet werden.
Die Gesamtkonstellation des Exponats Connected Customization erfüllt die drei Grundforderungen für eine Industrie-4.0-Architektur: Erstens. Die Integration der beteiligten Geräte liefert die horizontal vernetzte Basis, welche die Realität mit großer Tiefenschärfe abbildet. Zweitens. Mit der Bereitstellung der standardisierten Daten im Internet ist die vertikale Vernetzung verwirklicht. Drittens. Damit sind die Voraussetzungen für einen durchgängigen Engineering-Prozess ohne Medienbruch geschaffen. Die Informationstiefe der Daten ermöglicht sehr fein abgestimmte Lösungen für hochkomplexe Anwendungen, etwa in der Maschinensteuerung, beim 3D-Druck oder für die Navigation. Sie erlauben auch eine ausdifferenzierte, individualisierte Produktion ab Losgröße 1.
Das Exponat Connected Customization zeigt, wie mit hochwertigen Sensoren ein tiefenscharfes, mehrdimensionales Abbild der Realität praktisch in Echtzeit erzeugt werden kann. Die kumulierten Messdaten stehen horizontal und vertikal vernetzt für durchgängiges Engineering sowie für automatisierte Produktionsabläufe in einem Standard-Datenformat global zur Verfügung. Sie können für Anwendungen im Sinne von Industrie 4.0 und IoT uneingeschränkt genutzt werden.